1783 – 1817
Der Himmel offenbart sich nur
in Träumen,
So lang wir noch im Erdenthale
wallen,
Entfesselt schweben wir durch
Wolkenhallen
Und brechen Blüten von den
Lebensbäumen.
Hörst du das Kind entzückt im
Traume lallen?
Sein Geist ergeht sich in den
ew’gen Räumen;
Kannst du noch thöricht zu
entschlummern säumen,
Ein gleiches Los ist auch für
dich gefallen.
Nur Kindern steht das Thor des
Himmels offen,
Um sie nur spielt ein
unbegrenztes Hoffen,
sie fühlen nicht die schwere
Erdenkette,
Und brauchen keinen Heiland,
der sie rette.
Geliebte, laß uns werden so
wie diese,
Um Kinder blühen
Unschuldsparadiese.
1783 – 1817
Schon hier soll mich die
Geisterliebe krönen?
Ich glaub’ es nicht, daß mir
der Sieg gelungen,
Noch immer ist der Friede
nicht errungen,
Und unaufhaltbar fließen meine
Tränen. –
Von deiner Seraphstimme
Lautentönen
In selige Bezauberung
gesungen,
Geküßt von dir, von deinem Arm
umschlungen,
Schweigt plötzlich jedes
ungestüme Sehnen.
So können Blumen aus den
Felsen sprießen,
So kann die Ruh’ selbst in der
Sehnsucht liegen
Und Feindliches vereint
zusammenfließen;
Wenn wir uns kindlich an die
Mutter schmiegen,
Wenn wir genügsam, was sie
beut, genießen,
Will sie wie Kinder uns in
Träume wiegen.
1783 – 1817
Im Kampf erringen Krieger süße
Beute,
Doch du wirst ewig dich
vergeblich quälen;
Hör’ auf, dir selbst es länger
zu verhehlen,
Die Seelenruh’ erhascht man
nicht im Streite.
Sie ist das Erbteil nur von
wenig Seelen,
Die in der Wiege schon der
Vater weihte,
Die aus dem Haufen der
gemeinen Leute
Zu Priestern sich die Himmlischen
erwählen.
Hast Du die Kraft des
Priestertums verloren,
So stirb und werde wieder neu
geboren.
Wag’ es, zu werden, was die
Engel sind:
Ein gläubiges, ein
unschuldvolles Kind –
Schnell kehrt dir der
verscherzte Friede wieder,
Der Himmel läßt in deine Brust
sich nieder.
1783 – 1817 Frau Henriette Gottschalk, geborene Hay
4.
Dem kalten Tode war nicht
Macht gegeben,
Zu nahen sich der Lieblichen
und Frommen;
Im tiefsten Innren war ihr
früh entglommen
Ein strahlendes und
wunderbares Leben.
Als ihre letzte Stunde nun
gekommen,
sah man den Himmelsknaben
niederschweben,
Um den die süßen
Frühlingsträume weben,
Im höchsten Schmerz war
höchste Lust verschwommen.
Die sel’ge Brautnacht war’s,
in der zur Erde
Der Mai sich fügt mit holdem
Liebesgruße.
Zur Dulderin mit freundlicher
Gebärde
Trat er und weht’ sie an mit
Blütenzweigen.
Das Leben raubt’ er ihr im
ersten Kusse –
Der sel’ge Geist flog auf zum
Himmelsreigen.